Die australische Schriftstellerin P. L. Travers hat mit ihren vier „Mary Poppins“-Romanen schon seit 1934 genau ins Herz der Kinder getroffen, Eltern inspiriert und Mary Poppins als Vorbild für viele Familiensituationen geschaffen. Natürlich fehlt uns Eltern leider die Fähigkeit, Magie zu wirken, durch die Vieles einfacher werden würde, aber ein paar Sachen habe ich mir dennoch von Mary, dem unkonventionellen Kindermädchen, abgeschaut.
Sie hat diese unglaubliche Fähigkeit, aus allem ein reizvolles Spiel für ihre Schützlinge zu machen: Plötzlich wird das Aufräumen aufregend und der Parkbesuch zum Erlebnis. Wie kann ich das jedoch auf mein Leben mit Babykeks umwandeln, ohne magische Funken sprühen zu lassen? Ich habe gelernt, dass unser Zusammenleben viel einfacher und schöner ist, wenn Babykeks gut gelaunt ist, und eigentlich ist es gar nicht schwer, ihn bei Laune zu halten: Anstatt nur durch den Park zu spazieren und aufzupassen, dass Babykeks sich nicht verletzt, erkunden wir nun gemeinsam die Büsche und die Tierwelt darin. Ich entdecke durch mein Söhnchen meinen eigenen Spieltrieb wieder und amüsiere mich köstlich dabei, wenn er völlig erstaunt Ameisen beobachtet, Tauben jagt oder Käfern „Hallo“ sagt.
Am Anfang war das gar nicht so leicht. Es ist einfacher, sein Kind einfach nur durch die frische Luft zu schieben, und somit seine Schuldigkeit getan zu haben. Das macht den Knaben jedoch nicht unbedingt glücklicher oder für den Abend müder. Es kostet Kraft, den Buggy im Auto zu lassen und das Risiko einzugehen, ein völlig erschöpftes, oder im schlechtesten Fall auch bockiges Kind, zurücktragen zu müssen. Eigentlich kann ich beim Spazieren gehen aber sowieso nicht viel erledigen, also nehme ich mir stets vor, einfach MIT zu spielen.
Unglaublich, aber wahr! Es macht richtig Spaß und irgendwie fühlt es sich super an, wieder „klein“ zu sein. Ich versuche, die Dinge durch die Augen meines Kleinen zu sehen, und manchmal entdecke ich dabei sogar Dinge, die für mich neu und interessant sind.
Es ist schön, Kinderbücher vorzulesen und dabei seine Stimme den Charakteren darin anzupassen, erschrocken Luft zu holen oder leise zu fiepen und gleichzeitig die Reaktion meines Kindes zu genießen. Es macht Spaß, ihm zu zeigen, wie leicht es ist, alle Autos einfach in die Schublade fahren zu lassen, statt diese schnell hinein zu werfen. Klar, dauert es ein wenig länger, aber das Spiel macht meinem Söhnchen Freude und die Arbeit ist getan. Danach ist er bereit, etwas Neues zu machen, anstatt alle Autos zornig wieder ins Zimmer zu werfen, weil er doch eigentlich weiter spielen wollte, was im Grunde genauso viel Zeit (wenn nicht mehr) kostet, als alle Autos in der Schublade ordentlich einparken zu lassen.
Ich glaube, Mary Poppins‘ Geheimnis liegt darin, dass sie sich in die kleinen Kinder hineinversetzen kann, versteht, was sie sich erhoffen, und mit ein wenig pädagogischen Geschick diese Wünsche in Erfüllung gehen lässt und dennoch völlig unbemerkt ihr verstecktes Ziel erreicht. Manchmal ist etwas Wahres daran, sich nicht ganz so ernst zu nehmen und sich dafür in sein Kind hinein zu versetzten.
Das alles bedeutet jedoch, von der momentanen Norm abzuweichen, sich Kritik anhören zu müssen, peinliche oder erstaunte Blicke von Passanten über sich ergehen zu lassen, wenn man mit den schicken Kleidern gerade vollbeladen mit Kastanien aus dem Unterholz hervorbrecht. Aber ganz ehrlich – es lohnt sich. Das Strahlen auf Babykeks‘ Gesicht, wenn ich ganz und gar für ihn da bin, das zufriedene Gefühl, das sich in mir ausbreitet, wenn sich die “Mühen“ des Tages gelohnt haben und er glücklich und erschöpf problemlos einschläft. Es ist völlig in Ordnung, das Leben zu einem Spiel werden zu lassen, wenn man dabei seinen pädagogischen Prinzipien treu bleibt und weiß, wann das Kind einen Spielkamerad und wann eine Erziehungsperson/Mutter braucht.