Erneut ein herzliches Willkommen zur großen Artikelserien (ab jetzt immer montags), des Gast-Autors Phil:

Das große Weinen

…oder  Verletzlichkeit einer Unverletzlichen

 

Da war die Nachricht also. Kurz, knapp, klar. An dem Satz „Ich bin schwanger“ gibt es meist nicht viel falsch zu verstehen, insbesondere, wenn mit der Botschaft zu rechnen war. Dennoch: Als Außenstehender anzunehmen im vollen Umfang über die mit dieser Ankündigung verbundenen Konsequenzen Bescheid zu wissen ist wagemutig. Denn bereits die bloße Nachricht über den herannahenden Neuankömmling bedeutet Veränderungen für die baldige Mutter – insbesondere auf emotionaler Ebene.

 

Emotionen sind seit jeher eines der großen Themen, wenn es um die Unterscheidung der Geschlechter geht. Frauen lassen Gefühle zu, Männer verdrängen Gefühle. Eigentlich einfach und für beide Seiten mit Vorteilen behaftet: Männern ermöglicht ihre emotionale Ödnis ein stringentes aber eindimensionales Handeln. Die Folge: Das von Testosteron und dem Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit geprägte Selbstbild wird entspannt aufrechterhalten. Frauen sind indes der aus dem Hintergrund agierende Backup und haben für Gefühle stets ein offenes Ohr. Das vermeintliche schwache Geschlecht ist damit zwar näher am Wasser gebaut als ihr männlicher Beschützer, kann dafür aber dank permanenter Selbstreflexion seiner Gefühlswelt auch mehrdimensionale Gedankengängen artikulieren, die nicht selten den Tag aller Beteiligter retten. Frauen wissen um diese natürliche Überlegenheit – und sie wissen auch, dass Männer darum wissen.

 

Babykeks_Blog_Verletzlichkeit.jpgIm Falle einer Schwangerschaft erhält die Gefühlswelt der Frauen einen echten Schub. Einem Katalysator gleich sorgt der baldige Neuankömmling pflichtbewusst dafür, dass jede noch so kleine Gefühlsregung vielfach verstärkt wird. Die Folge: Hat Frau schon vor der Schwangerschaft gerne mal zum Taschentuch gegriffen kann sie jetzt bei ‚Tempo‘ das Jahresabo ordern. Wurde bislang nur bei dem Tod der geliebten Serienfigur geweint, stellt jetzt schon ein kleiner Schnupfen des Protagonisten eine Tragödie epischen Ausmaßes dar. Gab bisher ein romantischer Sonnenuntergang Grund zu einer einsamen Träne reicht jetzt schon das bloße Aufgehen der Sonne – schon geht das große Heulen los. Und so weiter und so fort. Sie wissen, was ich meine.

 

Einer entsprechenden Verwandlung konnte sich auch Sabrina nicht entziehen. Hier ist vorauszuschicken, dass die Gefühlswelt der baldigen Mama in weiten Zügen der eines Mannes gleicht: Tempos? Zum Saubermachen. Der tragische Tod der Hauptfigur? Alltag auf der Welt. Der blutrote Sonnenuntergang? Eine astronomische Alltäglichkeit. Kurz gesagt: Wenn Superman einen Körper aus Stahl hat ist die emotionale Welt von Sabrina aus Titan.

 

Entsprechend können Sie sich sicher meine anfängliche Verwunderung vorstellen als ich bei einem Besuch bei der baldigen Mutter hören durfte, dass sie aktuell etwas nahe am Wasser gebaut sei. Nun ist die Äußerung ‘etwas’ ja gemeinhin Interpretationssache, wodurch meine eigene Welt zunächst in Sicherheit schien – zumindest für angenehme zwei Sekunden. Ab Sekunde drei folgten jedoch Beispiele für die neuartige Gefühlsduselei. So berichtete mir die baldige Mama, die auch als Autorin tätig ist, von akuten Schreibproblemen, die sie in jüngster Zeit belasteten. Der Grund: Das bereits von langer Hand geplante Ableben einiger Figuren erschien der Autorin auf emotionaler Ebene plötzlich äußerst fragwürdig und moralisch mehr als indiskutabel. Die Folge: Pipi in den Augen. Auch der bloße Gedanke an das im Bauch herannahende Glück oder an Kinder im Allgemeinen schien der emotionalen Stabilität nicht sonderlich zuträglich. Die Folge: Ebenfalls Pipi in den Augen. Na vielen Dank…

 

Als echter Freund ist man sich natürlich bewusst, dass die langjährige Freundschaft nicht nur gemeinsames Lachen und Jubeln sondern eben auch das Weinen beinhaltet – aber in solch einem Fall ist man(n) einfach überfordert.

 

Denn egal wie man(n) sich auch bemüht, die emotionale Sinuskurve nachzuvollziehen, setzt eine umfassende Klarheit leider nicht mal ansatzweise ein. Die Folge: Unverständnis und Ratlosigkeit – mit Augen, so trocken wie nur die Wüste Gobi es sein kann. Entsprechend ist nur stummes Zuhören und zustimmendes Nicken angesagt, um zumindest etwas den Schein von Verständnis zu wahren. Dass das Gegenüber dieses Laienschauspiel zu keiner Sekunde glaubt ist dabei ebenso klar wie die Tatsache, dass es dem Kumpel zum Schutz der langjährigen Freundschaft nicht übel genommen wird. Ein Glück, denn sonst wäre wohl bei so ziemlich allen existierenden Freundschaften zwischen Mann und Frau spätestens bei der Schwangerschaft Endstation.

 

Ebenfalls glücklich ist die Tatsache zu benennen, dass das Ende der emotionalen Tragödie absehbar ist. Bereits kurz nach der Schwangerschaft kehrte wieder Normalität im Hause “Babykeks” ein. Endlich durften die von langer Hand aufgebauten und geliebten Buchcharaktere reihenweise über den Jordan geschickt werden und – zumindest fremde – Kinder waren wieder eine bloße Notwendigkeit basierend auf unserem bestehenden Rentensystem. Wenn es aber um das eigene Kind geht ist Pipi in den Augen dennoch nach wie vor nicht immer bei der Mama auszuschließen, wobei dieses Verhalten aus der Kumpelperspektive natürlich nachvollziehbar ist – und es dann natürlich noch den Papa als emotionalen Dummy gibt…

 

Fortsetzung folgt…

 

 Der Autor:

Babykeks_Blog_Gastautor_Phil.jpg

 

Lest jeden Montag auf dem Babykeks-Blog, wie ein “kinderloser” Freund die Schwangerschaft seiner besten Freundin “verarbeitet” 😉

1) Der Anfang vom Ende 

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Sabrina

... wurde Anfang der 80iger Jahre in der schönen Pfalz geboren, wo sie auch heute noch mit ihrem Liebsten und ihren beiden Jungs (*2009 & *2014) wohnt.
Sie hat ihr Hobby Ballett zum Beruf gemacht und lebt als Tanzpädagogin ihre Leidenschaft.
Mit Leib und Seele ist Sabrina Bloggerin und nimmt ihre Leser gerne ein Stück mit auf ihrer Reise als Mutter, engagierte Freiberuflerin und ambitionierte Frau.

1 KommentarHinterlasse einen Kommentar

  • Hahaha, DU bist die schwangere Freundin gewesen, der Zusammenhang hatte sich mir beim letzten Phil-Post nicht erschlossen. Eine tolle Serie, ich bin absolut gespannt auf die Fortsetzung!

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