Hier kommt ein Mann zu Wort: lest wie es Gastautor Phil in seinem (leider) letzten Gastartikel zu dieser Serie erging:
4 gewinnt & Co. meets soziale Isolierung oder…
„Und ihr wart mal so cool…“
Das Drama kündigt sich schon während der Schwangerschaft an, ist lange darüber hinaus noch spürbar, und betrifft die abendliche Freizeitgestaltung der baldigen Eltern. Diese erhält spätestens ab der offiziellen Ankündigung des baldigen Neuankömmlings eine umfassende Frischzellenkur. Positiv formuliert entscheiden sich Mama und Papa dazu, angesichts des neuen Lebensabschnitts ihr abendliches Programm neu aufzusetzen. Adieu gewohnter Trott, viva la Revolution! Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, war bisheriges Nachtleben bei Weitem kein Zuckerschlecken. Ermüdende Kinobesuche, schnöde Kneipengänge sowie eintönige Partyteilnahmen zeichnen ein Bild wahrer Ödnis. Solch ein Leben erscheint wohl Jedem über alle Massen unmenschlich – Rettung verspricht da nur beschlossene Neustrukturierung.
Gesagt, getan. Nur wenige Tage nach der heilbringenden Einsicht verändert sich das Leben der baldigen Eltern zusehends. Eintönigkeit und Banalität früherer Abendbeschäftigungen werden über Bord geworfen und machen Platz für Aufgeschlossenheit und Neugierde als neue Grundpfeiler der abendlichen Freizeitgestaltung. Die gegenseitige Vertrautheit weiter ausbauen sowie mehr über sich und die Welt in ihrer Vielseitigkeit zu erfahren erscheinen mehr als hehre Ziele. Der Clou daran: Das alles findet in den heimischen vier Wänden statt. Denn statt sinnlos kostbare Zeit durch das kräfteraubende Verlassen der Wohnung zu vergeuden nutzt das Paar das Stundenkonto zur gemeinsamen Horizonterweiterung höchst effizient von der Couch aus. Hinter der bescheiden anmutenden Äußerung „Wir machen uns heute einen gemütlichen“ verbergen sich dabei Abende voller Wunder und Vielseitigkeit. Sei es das gemeinsame Essen in harmonischer Zweisamkeit, bei dem die Erlebnisse des Tages reflektiert werden, ein Glas Wein im Rhythmus chilliger Musik zur harmonischen Erweiterung der Geschmacksnerven oder der entspannte Fernsehabend im Halbdunkeln des Wohnzimmers mit Fokus auf eine spannende Dokumentarsendung über die Welt der Amöben inklusive eines zünftigen Techtelmechtels: Ganz ohne Zweifel, das Paar ist der Ödnis erfolgreich entwischt und in einer besseren Welt angekommen.
Mit diesem Traum endet unser Märchen. Einem Traum, einer Vorstellung, einem Irrglauben. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich beschriebenes Szenario als eben solches. Einem Irrglauben. Einer Welt, die den werdenden Eltern als besserer Ort vorkommt, für Außenstehende jedoch nur eins ist: Der Abschied aus der Gesellschaft hin zur sozialen Isolierung – und das auf freiwilliger Basis. So verabschieden sich die Eltern mit wissendem Lächeln von rauschenden Partynächten und geselligen Barabenden in ein Leben voller Langweilige und Eintönigkeit. Denn mehr ist es nicht, nur Langweile. Statt abends mit Freunden um die Häuser zu ziehen wird nun daheim geblieben, um sich alleine bei Suppenterrine und Co tief in die, vom Tag übermüdeten und aufgrund des hellen Küchenlichts nur umso deutlich sichtbaren, Augen zu schauen. Haben man(n) und Frau von diesem Anblick irgendwann genug geht es weiter ins Wohnzimmer. Hier verspricht eine überschaubare Videothek zumindest kurzweilige Ablenkung von der ansonsten schnell eintretenden und alles fröhliche aufzehrende Stille. Im Anschluss daran haben beide dann auch einsehen. Es geht ins Bett –zum Schlafen wohlgemerkt. Immerhin ist es bereits Mitternacht; Morgen ist dann ja auch schon Samstag.
Aber gut, wir möchten nicht unfair werden. Wie heißt es doch so schön: Leben und leben lassen.
Es ist die Entscheidung der baldigen Eltern und nicht die eigene. Entsprechend müssen nur sie damit glücklich werden, während man selbst sein spannendes, ereignisreiches, ja, sagen wir es ruhig, in jeder Hinsicht großartiges Leben, weiterleben kann. Ein baldiger Telefonanruf verkündet jedoch davon, dass auch das nur Theorie ist. Denn trotz dieser nachvollziehbaren Einsicht teilt am Ende des Tages nur eine Seite diesen Gedanken. Das wird schnell klar, wenn es sich bei dem Anrufer um die weibliche Hälfte des in der sozialen Isolierung verschwundenen Paares handelt, die um ein gemeinsames abendliches Wiedersehen bittet. Soweit so gut möchte man meinen, doch weit gefehlt. Denn statt einem zünftigen Barabend oder einem ausschweifenden Clubbesuch steht dem Ehepaar ein gemütlicher Spieleabend im Sinn.
„Gemütlich“ und „Spieleabend“. Zwei harmlose Wörter, die aus Sicht eines Singles eine gefährliche Kombination darstellen.
Schon sitzt mal in geselliger Runde zusammen, um bei 4gewinnt, Mensch ärger Dich nicht oder Trivial Persuit gemeinsam in entspannter Atmosphäre den Abend passieren zu lassen. Auf der einen Seite die baldigen, zufrieden strahlenden Eltern, auf der anderen Seite ein weiteres glückliches Paar und dann noch die eigene Wenigkeit irgendwo am Rande. Haben Sie den Fehler gemerkt? Richtig! Der Single ist seinem Namen alle Ehre machend alleine vor Ort. Wahrscheinlichkeit Jemanden an diesem Abend kennen zu lernen: Null. Vielmehr erscheint die Einladung zum geselligen Spieleabend retrospektiv betrachtet als heimtückische Einladung, dem einst so liebgewonnen Pärchen in die selbst gewählte Einsamkeit zu folgen. Untermauert wird dieser Versuch von der den Abend abschließenden sanften Umarmung und den Worten „Das sollten wir unbedingt wieder machen“ – ein Schelm wer in diesem Moment böses denkt.
Bei einem zweiten Blick wird das diabolische Gedankengut des ach so freundlich drein blickenden Ehepaars dann aber doch augenscheinlich. So werden Vorschläge zu einem Treffen außerhalb der vertrauten Wohnung mit traurigem Kopfschütteln und der Bemerkung, Mama müsse sich aufgrund des baldigen Nachwuchses doch schonen, mir nichts Dir nichts beiseite gewischt – und dem gewünschten Familienzuwachs dabei ganz beiläufig die komplette Schuld in die Schuhe geschoben. Auch nach dessen Geburt tritt keine Besserung ein, mangelt es dem kleinen Fratz doch noch an ausreichendem Artikulationsvermögen, um besagten Irrtum aus eigener Kraft aufzudecken. So ziehen die Jahre dahin, in denen die Eltern ihr Vier-Wände-Monopol Stück für Stück ausbauen. War es Anfangs nur ein Pärchen, dass der Aufforderung zum Spieleabend folgte, gesellen sich mit der Zeit fortwährend mehr Paare hinzu – alle vereint darin, dem angesichts dieser schieren Übermacht verängstigtem Single die gemeinsamen Abende schmackhaft zu machen und so die angestrebte Assimilierung der Gesellschaft ein weiteres Stück zu komplettieren.
Einige Jahre und unzählige Spieleabend-Einladungen später hat sich das Bild jedoch geändert.
Nach wie vor hat sich der Single sein zumindest für ihn erfüllendes Nachtleben bewahrt. Nach wie vor ist das Ehepaar glücklich und lädt zu seinen Spieleabenden ein. Nun aber haben sich schlussendlich beide Parteien dazu entschlossen, dass gewählte Leben der anderen Partei zu respektieren. So weiß die Jungmama inzwischen, dass sie nur bis drei zählen braucht, bis der Single nach der gesprochenen Wortkombination „Gemütlich“ und „Spieleabend“ auf dem Baum ist. Statt weiterer Versuche hat sie sich dazu entschlossen, gemeinsame Zeit auf tagsüber anstehende Aktivitäten zu beschränken. Der Single versteht indes, dass es weniger die Schwangerschaft ist, welche die Eltern zu dem Lebenswandel bewegt sondern vielmehr allein der nächste Schritt einer erwachsenen Beziehung, der wohl bei allen Partnern erfolgt, die sich lange und gut kennen. Und obwohl die Annahme einer Einladung zum Spieleabend noch weit entfernt ist, setzt langsam Verständnis dafür ein, dass auch diese Freizeitbeschäftigung durchaus abendfüllend sein kann…
ENDE
Der Autor:
In den vergangen sechs Wochen habt ihr jeden Montag auf dem Babykeks-Blog mitlesen können, wie mein “kinderloser” Freund die Schwangerschaft und erste Zeit mit Kind, seiner besten Freundin “verarbeitet”
Doch alles Schöne hat einmal ein Ende und somit verabschieden wir uns heute mit großem Dank von Phil, dem ersten männlichen Gastautor in der Geschichte des Babykeks-Blogs.
Vielen Dank – sicherlich wirst du irgendwann auch die “andere Seite” kennenlernen und dann hoffe ich, auf eine weitere Gastartikel-Serie und bin schon arg gespannt, wie du die Sache dann sehen wirst 😉
Hier könnt ihr alle Artikel von Phil nachlesen:
2) Das große Weinen…oder Verletzlichkeit einer Unverletzlichen
3) Das Kind ist da oder… Codename: Spontanitätskiller