Man hört ja des Öfteren, dass Eltern vor ihrer Elternschaft buchstäblich andere Menschen gewesen sein sollen.
Während der Schwangerschaft würde man sich im Leben nicht träumen lassen, dass sich hinter diesen Zeilen auch nur ein Minifunke Wahrheit verbergen könnte, und auch als frisch gebackener Elternteil lebt man gerne noch ein Weilchen in der behaglichen Blase, dass das Kind die Welt zwar auf den Kopf stellt, aber man selbst doch stets der gleiche Mensch bleiben wird.
Mir wurde diese Illusion herzlos und völlig nebenbei zerstört. Meine Cousine kam zu Besuch und pikste meine rosa Blase mit einem spitzen Kommentar in Milliarden Stücke. Wahrscheinlich war und ist ihr das bis heute nicht bewusst, aber jetzt gestehe ich es endlich…
Zuvor muss ich euch aber von der „Vor-Kinder-Frau“ erzählen, die ich einst gewesen war. Ich liebte die erste eigene Wohnung des Liebsten und von mir. Ich liebte es, zu dekorieren, ich mochte es sogar, sie sauber zu halten, und fühlte mich immer unglaublich wohl in meinen vier Wänden. Ich lebte stets nach dem Motto: „Wenn Dreck gemacht wurde, dann wird er sofort weggeputzt, -geräumt etc., damit gar nicht erst Chaos aufkommt!“ In meiner Vorstellung und in meinem Tun in Bezug auf die Wohnung wurde in meinem Heim (Sauberkeits-)Perfektionismus gelebt.
Dann kam etwas Neues in mein Leben: Mein Kind. Dieses Wunder brachte unglaublich tolle Dinge in mein Leben, aber auch Schlafmangel, Zeitmangel, Krankheit – ach, hatte ich Schlafmangel und Schlafmangel schon erwähnt?
Schlafmangel führt ja bekanntlich irgendwann einmal zur Erschöpfung und da kommt der springende Punkt: Wenn du müde und erschöpft bist, ist es dir völlig schnurzpiepegal, ob dir gerade der Schal im Flur auf den Boden gefallen ist oder der Kaffeerand der Tasse vom Liebsten auf dem Tisch zu sehen ist. Du schließt einfach die Augen und glaubst ganz fest daran, dass, wenn du sie wieder öffnest, dann alles wieder beim (sauberen) Alten sein wird. Und wenn du die Augen dann öffnest, hast du vor lauter Müdigkeit sowieso vergessen, woran du gerade gedacht hast.
Doch zurück zu meiner Cousine. Sie ist ein wenig älter als ich, aber wir verstehen uns sehr gut und teilen in vielen Dingen eine Ansicht. Es wird euch nicht überraschen, zu erfahren, dass ihre Wohnung ebenfalls in die Kategorie „gelebter Perfektionismus“ fällt.
Da war sie nun – ihr erster Besuch –, Babykeks damals kaum ein halbes Jahr alt. Die Wohnung sauber, aber alles andere als ordentlich und dann geschah es. Keksilein hing über meiner Schulter und spukte einen riesen Schwall Milch aus, der natürlich theatralisch platschend auf das Laminat aufkam und unappetitliche Spritzer zu allen Seiten verteilte.
Ergeben bückte ich mich und wischte das kleine Desaster mit dem Spucktuch auf, das anschließend, bis es später in der Waschmaschine landen würde, nochmal kurz über meiner Schulter hängen durfte.
Das alleine reicht schon für viele Nichteltern aus, um komisch zu gucken, aber die Tatsache, dass ich nicht sofort wischte und die Milch (MILCH, die jede Sekunde zu gären und zu stinken anfangen würde) sauber wegputzte, schockierte meine Besucherin zutiefst: „Was ist nur los mit dir? Früher hättest du das nicht einfach so gelassen!“
Tja, früher! Früher war Früher und heute bin ich schon sehr glücklich, wenn ich einmal abends tatsächlich und absolut alle Spielzeuge im Kinderzimmer und nicht im Wohnzimmer gelagert weiß.
Ich habe meine Lehre daraus gezogen: Kinder stellen nicht nur deine Welt auf dem Kopf, nein, sie schaffen es sogar ganz ohne Anstrengung, fest verankerte Verhaltensmuster zu vaporisieren.
Und bevor mir jetzt jemand kommt mit: „Auch mit Kindern muss man putzen!“ Keine Sorge. Natürlich halte ich unser Heim sauber, aber ich bin viel entspannter im Umgang mit Unordnung, leichten Verschmutzungen und dem Nicht-sofortigem-Absortieren der Wäsche geworden.
Ich möchte fast behaupten, dass ich eine wahre Zen-Meisterin im Ohmmm-Denken geworden bin in dieser Hinsicht…
Das hilft übrigens ungemein und verdeutlicht wesentlich weniger schmerzhaft, dass meine Kinder mich völlig schonungslos von meinem Perfektionismus geheilt haben, denn das Eingestehen der Realität lässt sich auf unglaublich viele Aspekte des Lebens übertragen und anwenden…
In diesem Sinne:
OOOhhhmmmm!
Wie meine Kinder mich vom Perfektionismus heilten http://t.co/0Il8aP2mka Erfahrungsberichte auf dem #Babykeks -Blog frisch verbloggt
Liebe Sabrina, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es tatsächlich Eltern gibt, die ihren Sauberkeitsperfektionismus mit einem oder mehreren Kindern noch “ausleben” können. Geht es da nicht allen gleich? Der Wäscheberg ist auch morgen noch da und dem Staub auf dem Schrank ist es egal, ob er noch einen Tag länger da liegt. Ich halte es da genau wie du und bin pragmatischer geworden, seitdem in unserer Wohnung auch richtig “gelebt” wird 😉
Hi Vivi,
ja ich denke es geht vielen so – aber schließlich muss ja einer den Anfang machen und “gestehen”.
Allerdings kenne ich einige Eltern (von bereits älteren Kids wohlbemerkt), bei denen der Sauberkeits-Perfektionismus langsam wieder Einzug hält… ich bin mal gespannt wie das bei mir in eine paar Jahren sein wird 😉
Ganz lieben Gruß
S.
Es beruhigt mich immer so, solche Artikel zu lesen 🙂 nIch habe vor dem Chaos bei uns kapituliert! Seitdem geht es mir besser. Ich hatte darüber auch mal geschrieben, wenn Du magst, findest Du den Text hier: https://ganznormalemama.wordpress.com/2014/12/05/wenn-zwei-kinder-spielen-oder-wieso-aufraumen-einfach-uberschatzt-wird/
Hallo Nathalie,
Geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid.
Vielen Dank für Deinen “Linktipp” 😉 Sehr schön geschrieben!
Ganz herzlichen Gruß
Sabrina
Das ist lustig, weil ich mich genau in die Gegenrichtung bewegt habe, seitdem ich Kinder habe. Nein, nein… ich bin bei weitem nicht auf dem Weg zum Perfektionismus. Ich bin nur nicht mehr die hoffnungslose Chaotin von früher. Ich würde sagen, wir treffen uns gerade in der Mitte 😉
Kinder bewirken nämlich auch das Gegenteil: sie zwingen zu einer gewissen Ordnung und dazu, zumindest ab und zu mal einen Plan zu haben.
Alles Liebe
Sandra