Willkommen zum zweiten Teil des großen Interviews mit der langjährigen und erfahrenen Stillberaterin Dora Schweitzer. Im ersten Teil verriet uns die Buchautorin, wie sie selbst das Stillen ihrer drei Kinder erlebt hat, wie sie all ihr Wissen und Können erlangte und wie es für sie gewesen ist, ihren Still-Ratgeber zu verfassen. Lest Teil Eins hier.
Liebe Frau Schweitzer, lassen Sie uns in diesem Teil des Interviews noch intensiver auf das Stillen an sich herangehen…
Bildquellenangabe: Rolf van Melis/pixelio.de
In meinem Bekanntenkreis gibt es auch Mütter, die dem Stillen sehr negativ gegenüberstehen. Sie haben Angst, dass ihre Brüste “hässlich” werden oder sich die Empfindsamkeit ihrer Brüste verändert und lehnen das Stillen, ohne es je versucht zu haben, kategorisch ab. Was würden Sie diesen Frauen raten?
Solchen Frauen würde ich erklären, dass sich die Brust nicht durch das Stillen, sondern oftmals durch die Schwangerschaft verändert, was mit der hormonell bedingten Ausreifung des Milchdrüsengewebes während der Schwangerschaft zusammenhängt. Dieser Vorgang kann auch dann nicht aufgehalten werden, wenn sich die werdende Mutter entschließt, ihr Baby nicht mit Muttermilch zu ernähren. Überdies spielen bei der Veränderung der Brustfestigkeit auch der natürliche Alterungsprozess und die Beschaffenheit des Bindegewebes eine wesentliche Rolle. Da die Brüste bereits in der Schwangerschaft schwerer werden, kann es sein, dass aufgrund eines schwachen Bindegewebes aus einem vorher festen Busen nach der Geburt ein schlafferer Busen wird.
Ich kenne viele Frauen, die auch nach längeren Stillzeiten wieder einen recht festen Busen haben – bei einigen Müttern ist das sogar so, obwohl sie mehrere Kinder stillten. Ich kenne aber auch junge Frauen, deren Busen bereits nach der ersten Schwangerschaft erschlaffte. Oft hängt dies auch mit der Größe des Busens zusammen.
Im Übrigen gibt es unzählige Frauen, deren Brüste schlaff sind, obwohl sie keine Kinder geboren oder an ihrer Brust ernährt haben. Bei stillenden Frauen, die einen normalen Abstillprozeß durchlaufen, wird die Brust ganz allmählich weniger prall und kann sich – anders als bei Frauen, die direkt nach der Geburt abstillen – langsam an die veränderten Bedingungen anpassen. Die Angst, dass die Ästhetik der Brust durch das Stillen leidet ist also unbegründet.
Viele Firmen versuchen seit Jahrzehnten, die Einzigartigkeit der Muttermilch künstlich nachzustellen. Dennoch ist die Muttermilch, also das Stillen, nach wie vor “das Beste”, was man der Entwicklung (z. B. des Immunsystems etc.) seines Kindes mitgeben kann. Mussten Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn schon einmal vom Stillen abraten und gibt es denn unumstößliche Gründe für eine Frau, ihr Kind nicht zu stillen?
Ja, es gab schon zwei Fälle, in denen ich stillenden Wöchnerinnen vom Stillen abriet. Es handelte sich hierbei jeweils um Mütter, die unter schweren postnatalen Depressionen litten. Diese Frauen waren nicht in der Lage, sich in ausreichendem Maße um ihre Kinder zu kümmern, da sie selbst intensive Betreuung brauchten. Sie benötigten außerdem geeignete Medikamente, die nicht mit dem Stillen vereinbar waren. Bei diesen beiden Frauen habe ich mich den Empfehlungen der jeweiligen Ärzte angeschlossen und ebenso wie die behandelnden Ärzte dazu geraten, die psychische Gesundung der Mutter vor ihren Stillwunsch zu stellen.
Unumstößliche Gründe, vom Stillen abzuraten sind Tuberkulose- und Aidserkrankungen der Mutter. Frauen mit diesen Krankheitsbildern habe ich im Laufe meiner Stillberaterinnen-Tätigkeit jedoch noch nicht kennengelernt.
Kinder die an einer Galaktosämie (angeborene Stoffwechselstörung) müssen mit einer Spezialnahrung ernährt werden, weshalb auch in solchen Fällen vom Stillen abgeraten werden muss.
Gerade bei Beginn des Stillens haben viele Frauen Probleme, empfinden Schmerzen. Hier steht zumeist die Hebamme beratend zur Seite. Worin unterscheiden sich in dieser Hinsicht Hebamme und ehrenamtliche Stillberaterin?
Während Hebammen in diesem Bereich ihre beruflichen Aufgaben der Wochenbett-Betreuung erfüllen, begegnen ehrenamtliche Stillberaterinnen den jungen Müttern auf einer völlig anderen Ebene. Sie stehen den jungen Müttern als Gleichgesinnte zur Seite und bieten auf diese Weise kostenlose Unterstützung an. Dies geschieht im Sinne der Selbsthilfe – von Mutter zu Mutter – sozusagen “auf Augenhöhe”.
Um den Anforderungen der “Mutter-zu-Mutter-Stillberatung” gerecht zu werden, ist es unbedingt notwendig, vorher eigene Stillerfahrung gesammelt zu haben. Diese Voraussetzung brauchen Hebammen nicht zu erfüllen. Stillberaterinnen verstehen sich keineswegs als Konkurrenz zu Hebammen, sondern als sinnvolle Ergänzung.
Abgesehen von meinem persönlichen überregionalen Angebot, das sehr rege in Anspruch genommen wird, bin ich seit vielen Jahren in Abstimmung und enger Kooperation gemeinsam mit mehreren Hebammen aus der Nähe meines Wohnortes Ansprechpartnerin für Mütter, die Stillberatung in Anspruch nehmen möchten.
Neben all dem Wissen und der Erfahrung, die Sie sich mittlerweile angeeignet haben, gibt es stets die beiden “Hauptpersonen” des Stillens: Mutter und Kind. Welchen Tipp können Sie meinen Lesern geben, wenn es zwischen den Beiden in Sachen Stillen nicht sofort harmoniert.
Ich rate den stillenenden Müttern – besonders zu Beginn der Stillbeziehung – sich von den Signalen des Kindes leiten zu lassen und auch dann gelassen zu bleiben, wenn das Kind bereits nach wenigen Minuten an der Brust einschläft und sein kleines Mündchen die Brustwarze bald nach dem Anlegen wieder loslässt. Schon alleine der innige Körperkontakt zwischen Mutter und Kind ist von großer Bedeutung für das Einüben des Stillens. Es ist wichtig, dass dem Baby immer mal wieder kurze Pausen gegönnt werden, denn das Trinken ist für ein Neugeborenes eine anstrengende Tätigkeit. Stillende Frauen sollten ihr Neugeborenes dann wieder geduldig zur Brust führen, wenn es sich erholt hat. Stillen ist eine Tätigkeit die – wie alles andere im Leben auch – erlernt werden muss. Und da es sich hierbei um eine Paarbeziehung zwischen Mutter und Kind handelt, ist es nicht ungewöhnlich, wenn eine Mutter, die vorher bereits problemlos gestillt hat, nach der Entbindung eines weiteren Kindes das Stillen mit diesem Baby auch wieder einüben muss.
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Auch dieses Mal bedanke ich mich herzlich für all die nützlichen Informationen bei Frau Schweitzer und möchte an dieser Stelle meinen Lesern verraten, was der dritte und leider schon letzte Teil der Interview-Reihe beinhalten wird:
Frau Schweitzer verrät uns, wie man Stillberaterin werden kann, sie spricht über das Herzstück ihres Stillratgebers und schenkt uns zum Schluss noch einige Tipps in Sachen Erziehung und Selbstverwirklichung. Wir dürfen schon sehr gespannt sein 🙂
Wer gerne noch mehr Informationen über Dora Schweitzer möchte, ist eingeladen, auf Ihrer Internetseite oder via facebook stets auf dem Laufenden gehalten zu werden.
Bei Amazon erhält übrigens das vorgestellte Buch der Autorin aktuell eine durschnittliche Bewertung von 4,9 von 5 möglichen Sternen.
Information:
Das Buch hat meiner Freundin echt gut geholfen!
Das liest man doch gerne. Ich bin sicher Frau Schweitzer freut sich ganz besonders über dieses Kommentar 😉
Danke für die “Empfehlung”…
Herzlichst Sabrina